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Interview
Christoph Ruf über sein Buch "Kurvenrebellen"

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Christoph Ruf: "Ultras werden völlig unterschätzt"
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Kinder sind unschuldig und vor allem eins: immer gnadenlos ehrlich.

Wie würden Sie die Schalker Fanszene beschreiben?

Die hat genau den Fehler, den Dortmund gemacht hat, eben nicht begangen. Die Faninitiative hat ja schon vor mehr als 20 Jahren dafür gesorgt, dass Nazis aus dem Parkstadion vertrieben wurden und sogar ein Passus gegen Rechts in die Vereinssatzung aufgenommen wurde. Es gibt sicher politischere Gruppen als die Ultras GE, die eher nicht als Speerspitze gegen Gazprom oder Tönnies bekannt sind. Man positioniert sich aber klar und deutlich gegen rechts. Das ist typisch ultra, auch Gruppen, die sich als „unpolitisch“ bezeichnen, sind gegen Rassismus, weil der die Kurve spaltet. Gut so. Und ein Hauptgrund dafür, warum rassistische Parolen heute in der Bundesliga nicht mehr skandiert werden, das war vor 20 Jahren ganz anders.

Wie machen die Allesfahrer das überhaupt, wenn dienstags ein Champions-League-Spiel in Lissabon und am Samstag das nächste Bundesliga-Heimspiel in der Arena stattfindet? Das sind doch irre Kosten- und Zeitfaktoren!

Na ja! Erstens laufen die Fahrten alle mit low oder no budget ab. 40 Stunden im Bus nach Lissabon sind vielleicht nicht sonderlich bequem, kosten aber nicht so viel wie der billigste Billigflieger. Man muss eben bereit sein, unter jeglichem Verzicht auf Komfort für seinen Verein überall hin zu reisen und ihn dort zu unterstützen. Das sind halt viele in der Ultraszene. Es ist aber eine kurze, intensive Phase von manchmal nur zwei, drei Jahren, in denen die Jungs alles in ihr Ultradasein legen, ehe sie sich anderen Dingen und dem bürgerlichen Leben zuwenden. Aber selbst Sie als Ultraversteher müssten doch mit der Haltung ‚All Cops Are Bastards‘ und "Schuld sind immer die Anderen" nichts anfangen können, oder?

Natürlich nicht. Das Feindbild Polizei eint aber 99 % aller Ultraszenen, so unterschiedlich sie auch sein mögen – während andere Feindbilder in Frage gestellt werden. In meinem Buch beschreibe ich zwei Vorfälle, die dieses Thema von genau zwei Seiten beleuchten. In dem einen Beitrag geht es um einen brutalen Übergriff von Ultras auf Polizeibeamte und in dem anderen um einen Vorfall von brutaler Polizeigewalt. Es ist so, dass an den Rändern der Hauptgruppen immer zunehmend gewaltfaszinierte, meist jüngere Ultras mitlaufen, die den Reiz in Auseinandersetzungen mit den gegnerischen Fans sehen. Die sind für Argumente, ihr Tun auch mal selbst zu hinterfragen, eben nicht empfänglich. Genau so bedauerlich wie die Weigerung der Polizei, flächendeckend die Kennzeichnungspflicht einzuführen. Steht die ‚Schickeria‘ als Ultraszene des FC Bayern vielleicht exemplarisch für das Widersprüchliche am Ultra- Dasein oder warum hat sie es besonders schwer?

Ich glaube schon. Uli Hoeneß hat das ja bei seinem legendären Wutausbruch damals auf der JHV auf den Punkt gebracht. Als Stimmungskanonen und Staffage sind Ultras hochwillkommen, gerade in der Allianz Arena, wo ohne sie eine noch gruseligere Stimmung herrschen würde. Was man aber nicht will, ist die Widerborstigkeit der Ultras, ihre Weigerung, alles zu akzeptieren, was die Vermarktungsgenies so toll finden: Anstoßzeiten mitten am Morgen, teure Ticketpreise, Eckbälle, die vom Sponsor präsentiert werden...

Glauben Sie denn ernsthaft, dass nach dem Platzsturm der ‚Boyz Köln‘ in Mönchengladbach englische Verhältnisse – personalisierte Tickets, nur Sitzplätze – in der Bundesliga zu vermeiden sind?

Das hoffe ich sehr, denn ohne eine lebendige Fankultur, und dazu gehören die Ultras unbedingt, ist der Fußball tot. Wenn es ruhig bleibt, kommen Leute wie DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig und fordern den Dialog. Aber wenn so etwas passiert, wie im rheinischen Derby, dann treten die Hardliner auf den Plan und rattern das ganze Programm von Geisterspielen, Stehplätze abschaffen und Verbot von Auswärtsfans herunter. Da wundere ich mich, warum es innerhalb des Fußballs keinen Aufschrei gibt und die anderen Fans, also nicht die Ultras, massiv gegen diese Form von Sippenhaft protestieren. Wenn mein Nachbar seine Wohnung vollmüllt, dann will ich doch nach der Räumungsklage gegen ihn nicht gleich mit aus dem Haus müssen.

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