Sie kommen aus Gambia, Eritrea, Syrien, Marokko oder aus europäischen Krisenländern wie Albanien. Ohne Eltern, ohne Verwandte - völlig auf sich allein gestellt. Was sie auf ihrer langen Reise erleben mussten , bleibt oft ihr Geheimnis. Zu grausam wären die Erinnerungen. Allein in Dortmund leben rund 400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF). Für einige von ihnen hatten die Macher des BVB-Fanzines schwatzgelb.de ein besonderes Angebot: ein Fußballturnier.
Fünf Teams - vier aus Dortmund, eines aus Bochum - kickten in der Soccer World um den inoffiziellen "Refugees Welcome Cup". Organisator Jens Weber hatte über die Diakonie Kontakt zu zahlreichen Einrichtungen aufgenommen und viele Bewerbungen bekommen. Am Ende lud er fünf Mannschaften ein. "Einige Bewerber kamen einfach von zu weit weg oder hatten sich zu kurzfristig gemeldet", so Weber. "Ein Turnier mit mehr Teams wäre aber auch schwierig zu organisieren gewesen", sagt Weber. Hilfe kam vom Fan-Projekt Dortmund, das Leibchen und Schiedsrichterausrüstung zur Verfügung stellte. Die Fußball-Halle in der Nähe des Dortmunder Stadions stellte kostenlos zwei Plätze zur Verfügung, und auch Borussia Dortmund ließ sich nicht lumpen. Der Verein stellte über seine Stiftung "Leuchte auf" Preise in Form von Bällen , Trainingsbekleidung und Fanartiklen zur Verfügung. Vor dem Hallen-Kick lud die Borussia die Jugendlichen zu einer Stadionführung ein.
Es ging hitzig zur Sache Auf dem Kunstrasen in der Halle ging es teils hochintensiv zur Sache. Die Teams mit klangvollen Namen wie "Juventus Werkstattjahr"; "Boubacar Allstars" oder einfach nur "Jawoll" kämpften mit viel Einsatz um den Sieg. Einige Male mussten Schiedsrichter und Gruppenbetreuer einschreiten, wenn das Temperament mit einigen der Spieler durchzugehen drohte. Doch mit zunehmender Spieldauer konzentrierten sich die Kicker auf das Wesentliche - den Ball - und hatten sichtlich Spaß an der Sache.
Darum und um den Zusammenhalt der Gruppen sollte es auch in erster Linie gehen. "Das Spiel tut uns gut, es stärkt unseren Zusammenhalt", erklärt der 16-jährige Mostafa. Der Dortmunder ist Sprecher einer Gruppe des Dortmunder Johannes-Falk-Heims. In der Gruppe leben acht Jugendliche, teils wie Mostafa aus Deutschland, teils aber auch aus Ländern wie Eritrea oder Afghanistan. Dabei könnten die deutschen Jugendlichen vieles von den gleichaltrigen Flüchtlingen lernen. "Das ist eine Symbiose", so Mostafa. "Wir Deutschen helfen den Jungs, sich hier zurecht zu finden, und wir lernen von ihnen, bescheidener zu werden und zu erkennen, was wirklich wichtig im Leben ist." Welches Schicksal genau hinter den einzelnen Gruppenmitgliedern steckt, weiß allerdings auch der Gruppensprecher nicht: "Wer zwei Jahre gebraucht hat, um von Afghanistan nach Deutschland zu kommen, hat bestimmt viel erlebt. Aber wir fragen nicht viel, damit die Jungs keinen Flashback bekommen."
Turnier ist für die Teambildung wichtig Auch Evgeny Gutnikov, Mathelehrer des Teams "Juventus Werkstattjahr", sieht das Fußballturnier nicht nur als sportliche Herausforderung, sondern stellt den sozialen Aspekt in den Vordergrund: "Für die Teambildung ist das sehr wichtig. Wir haben klare Rollen verteilt, an die sich jeder halten muss." Schon nach wenigen Spielen sei ein Junge zu ihm gekommen und habe den Wunsch geäußert, in einem Fußballverein zu spielen. "Das kriegen wir hin", ist Gutnikov optimistisch. Er freut sich, wenn seine Jungs ein Talent entdecken und sich für eine Sache begeistern: "Die haben schlimme Sachen erlebt, besonders auf der Reise nach Deutschland."
"Die Wege, auf denen die Jungendlichen kommen, sind abenteuerlich", weiß auch Alireza Rabbany, Betreuer bei der St. Vinzenz Jugendhilfe am Borsigplatz. In seiner Gruppe sind Kriegsflüchtlinge, etwa aus Syrien oder Gambia, die sich ohne ihre Eltern alleine auf den Weg nach Europa gemacht haben. Jetzt sind sie hier und müssen lernen: "Wir bringen ihnen demokratische Prinzipien bei. Sie lernen Toleranz. Das sind Werte, die in vielen Ländern fremd sind", so Rabbany.
Auf dem grünen Viereck in der Soccerworld müssen sie zusammenarbeiten. Egal, ob Afrikaner oder Afghane, Deutscher oder Albaner - sie lassen den Ball laufen, schimpfen miteinander, helfen sich nach Fouls wieder auf die Füße. Als Sieger stand schließlich das Team "Jawoll", eine Gruppe der Grünbau GmbH, fest. Die Mannschaft blieb ungeschlagen. Doch gewonnen hatten am Ende irgendwie alle.