Schon bei der Ankunft am Audimax der Ruhr-Universität Bochum war klar: Es wird keine "normale" Mitgliederversammlung. Die beabsichtigte Trennung des Vereins von der Damen- und Mädchenabteilung zum Ende der laufenden Saison sorgte für eine Menge Unruhe. Auch über die Art und Weise der geplanten Trennung wurde in der Öffentlichkeit heiß diskutiert. Dass es dann doch eine sehr sachliche und offene Diskussion wurde, lag im Besonderen an Finanzvorstand Wilken Engelbracht, der mit offenen Worten teilweise schockierende Erkenntnisse vortrug.
Frauen und Mädchen dürfen temporär bleiben
Bereits Stunden vor der Versammlung stellte sich heraus, dass die ursprünglich geplante Abschaffung der Frauen- und Mädchenabteilung nicht in der veröffentlichten Art von Statten gehen würde. Ein Brief von Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert an einen besorgten VfL-Fan, der RS exklusiv vorlag, deutete an, dass bereits Tage vor der Mitgliederversammlung neue Alternativen geprüft wurden. Das Ergebnis trug der neue Finanzvorstand Engelbracht dem Auditorium vor: "Wir werden bis zum Ende der Spielzeit 2015/16 an einer Lösung arbeiten, sodass die Frauen- und Mädchenabteilung ein eigenes Budget zur Verfügung hat." Engelbracht machte aber auch deutlich, dass danach Schluss ist: "Ein Verein, wie der VfL Bochum, kann sich die 150 000 Euro jährliche Kosten nicht leisten."
Alles schien mit dem vom VfL vorgeschlagenen Kompromiss erledigt. Nach einem Änderungsantrag von Gerd Kirchhoff, ehemaliger Stadtdirektor in Bochum, wurde allerdings von den Mitgliedern beschlossen, bei den nächsten Mitgliederversammlungen weitere Überprüfungen vorzunehmen, inwieweit der Erhalt des Frauenfußballs beim VfL Bochum möglich ist. Nach zahlreichen Redebeiträgen ergriff Christian Hochstätter das Wort: „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, und wir respektieren die Meinung der anderen. Ich erwarte aber auch, dass uns der gleiche Respekt gilt.“ Klare Worte nach Wochen voller Schelten für die Führungsgremien.
Überschuldung wächst weiter an
Ein negatives Schockmoment mussten die VfL-Mitglieder bei der Vorstellung der Finanzen erleben. "Die Überschuldung des Vereins wuchs auf 6,7 Millionen Euro in der letzten Spielzeit. Hinzukommen die Tilgungskosten für das Stadioncenter von rund 800 000 Euro im Jahr. Der Verein hat insgesamt 6,9 Millionen Euro Darlehen", erklärte Engelbracht, "das heißt im Umkehrschluss: Alles im Verein ist auf Kante genäht." Ein negatives Ergebnis von 633 000 Euro stand in der Bilanz 2013/14 - veranschlagt war ein Überschuss von 2,6 Millionen Euro. Engelbracht stellte klar: "Der VfL Bochum bekommt keine Kredite bei Banken mehr."
Gründe für diese ökonomische Entwicklung legte der Finanzvorstand klar auf den Tisch: "Die Steuerprüfung brachte eine Nachzahlung von einer Million Euro mit sich. Außerdem müssen wir Altschulden tilgen und die Einnahmen aus den TV-Geldern sind gesunken.“ Engelbracht macht deutlich, dass nur ein rigoroser Sparkurs auf „allen Ebenen“ den Verein auf lange Sicht wieder in finanziell sicheres Fahrwasser bringe.
Mittelfristiges Ziel bleibt der Aufstieg in Liga eins
Christian Hochstätter äußerte sich ähnlich: „Wir müssen mehr Geld in den Lizenzspielerkader stecken, damit wir mittelfristig das Ziel Aufstieg angehen können.“ Damit bleibt die Erkenntnis, dass der VfL jedes Jahr ein enormes Risiko eingeht. Engelbracht: „Ich habe nachts auf mein Handy geschaut, ob der Wechsel von Matthias Ostrzolek zum Hamburger SV endlich perfekt ist.“ Die Einnahmen aus den Transfers von Kevin Vogt und Ostrzolek seien dringend notwendig gewesen, um die Saison vernünftig zu gestalten.
„Wir werden daran arbeiten, dass der VfL finanziell und sportlich auf einen guten Weg kommt. Dafür müssen wir einen neuen Weg einschlagen“, sagte Hochstätter. Dieser könnte steinig und schmerzhaft werden, erscheint aber beim Blick auf den Schuldenstand unerlässlich.
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