Als Michael Welling am Mittwoch hörte, dass das Spiel seiner Rot-Weissen gegen den MSV Duisburg am Vorabend bis zu 1,3 Millionen Fernsehzuschauer eingeschaltet hatten, bekam der RWE-Vorsitzende „echt eine Gänsehaut. Jetzt habe ich wirklich Tränen in den Augen.“ Zeitweise hatte das Pokalderby zwischen dem Viert- und dem Drittligisten mehr TV-Zuschauer als das Champions-League-Spiel zwischen dem BVB und Real Madrid im Bezahlfernsehen. „Um so mehr macht es mich fertig, dass 50 bis 100 testosterongesteuerte Idioten dafür gesorgt haben, dass heute niemand über dieses geile Spiel und die sensationelle Stimmung spricht.“
Die Rauchschwaden über der Westtribüne, die vermummten Hooligans im Innenraum, die Polizeiketten auf dem Rasen – die Spielunterbrechung sorgte am Tag danach nicht nur an der Hafenstraße für Katerstimmung. Im Rathaus war der Oberbürgermeister immer noch empört. Was Reinhard Paß „wirklich abscheulich“ findet: „Da kommen über 20 000 Zuschauer ins Stadion, um ein Fußballfest zu feiern, und dann machen ein paar Idioten alles kaputt.“
„Das Spiel wäre nicht wieder angepfiffen worden.“
Der OB sieht durch die Randalierer gar den von den RWE-Fans erkämpften „politischen und gesellschaftlichen Konsens“ zum Neubau des 42 Mio. Euro teuren Stadions gefährdet. Auch er selbst habe sich dafür „weit aus dem Fenster gelehnt. Und nach unserem langen Kampf für das Stadion versuchen einige wenige Chaoten, das alles kaputt zu machen.“ Um das zu verhindern, sieht Paß nun auch die RWE-Fans in der Pflicht. An sie appelliert er, „nun klare Kante gegen diese Randalierer zu zeigen.“
Lobende Worte fand der OB für den Polizeieinsatz im Stadion („ruhig und kontrolliert“). Auf einige Zuschauer wirkte der Aufmarsch der fünf Hundertschaften etwa übertrieben. Harald Hagen, der verantwortliche Leiter der Polizeiinspektion Nord, erklärte: „Wir hatten mehr potenzielle Störer im Stadion als beim letzten Derby zwischen BVB und Schalke – und konkrete Hinweise auf die feste Absicht der C-Fans, den Platz zu stürmen.“ Bundesliga-Schiedsrichter Guido Winkmann – übrigens selbst Polizist – habe ihm die Garantie abverlangt, dass die Sicherheit der Spieler nicht gefährdet ist. „Darum konnte ich unsere Kräfte nicht mehr von den Tribünen abziehen“, so Hagen. „Das Spiel wäre nicht wieder angepfiffen worden.“
Allein die Landespolizei war mit 1050 Beamten im Einsatz. Einige Polizisten wurden von den Randalierern aus dem Stadion nach Spielende sogar noch hinter der Westtribüne attackiert. Hagen ist zuversichtlich, dass die Hooligans von der West – unter ihnen auch solche aus Bremen und Wien – mit Hilfe der Videoaufzeichnungen überführt werden können.
Randalierer öffneten Fluchttor von außen
Die Klinke am Fluchttor zum Innenraum hatten diese übrigens von außen geöffnet, sagt Andreas Hillebrand, Geschäftsführer des Stadionbetreibers GVE: „Sie sind über den Zaun geklettert und konnten den Fluchtweg mit ihren Füßen entriegeln.“ Von Ordnern könne „niemand erwarten, sich diesen Leuten in den Weg zu stellen.“
RWE-Chef Welling will sie „rigoros und schnellstmöglich bestrafen.“ Identifizierte sollen mehrere Jahre aus den Stadien verbannt werden. Strafrechtlich, so Hagen, seien sie kaum zu belangen.
Über die Strafe für RWE berät nun der Fußballverband Niederrhein (FVN). „Der Pokalspielleiter macht eine Meldung an die Spruchkammer. Sie wird dann Stellungnahmen der Clubs einholen und entsprechende Strafen aussprechen“, erklärte FVN-Sprecher Peter Hambüchen. Wahrscheinlich ist eine hohe Geldstrafe. Noch mehr gestraft aber ist Rot-Weiss Essen ohnehin mit dem versauten Pokalabend.