Der Kommentar von Ulrich Homann wurde bisher über 175.000 Mal gelesen. reviersport.de/229888---goetze-hammer-kommentar.html
Da auch bei RevierSport der Wechsel kontrovers diskutiert wird, gibt es hier einen weiteren Kommentar zum Thema. Als Willi Lippens Mitte der Siebziger Jahre für Rot-Weiss Essen spielte, schien Vereinstreue noch eine Ehrensache zu sein. Im Wissen um ein vielfach höheres Salär angesichts eines Angebotes aus Gelsenkirchen trug sich der gebürtige Niederländer damals in einem unumstößlichen Bewusstsein: „Ich konnte nicht von der Hafenstraße ins Parkstadion wechseln – das war einfach nicht denkbar für mich. Es war schlicht unmöglich.“
Eine Haltung, die in heutigen Zeiten nur noch nostalgisch schön aber irgendwie unvorstellbar anmutet. Die ideelle Wertvorstellung schlägt in Lippens Kosmos den materiellen Reiz. Ein Neuer, Götze oder Draxler denken und handeln hingegen heute anders. Und vor allem die ältere Generation fragt sich: Warum? Wenn die jungen Jahrhunderttalente Vokabeln wie Identifikationsgrundlage erlernen, tun sie dies in einem marketingorientierten Umfeld. Sie begreifen Bodenständigkeit als temporären Style, der so lange Umsatz generiert, wie er im Dunstkreis des Vereins hübsch verpackt und durch die Spieler verkörpert wird. Es ist zumindest denkbar und eigentlich wahrscheinlich, dass vor vierzig Jahren ihre damalige Sozialisation eine ähnliche Reaktion wie die des Willi Lippens hervorgerufen hätte. Damals wie heute machen die Spieler ihren Job auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage, in einer Branche, die sich allerdings radikal verändert hat.
Vor diesem Hintergrund ist es vermessen und fast schon eine Zumutung, wenn in Zeiten von sozialen Netzwerkverpflichtungen und einem mitunter nicht mehr nachvollziehbaren Leistungsdruck den Marios und Manuels der schwarze Peter in der Mehrzahl von der älteren Generation zugeschoben wird. Die Vergangenheit wird beschworen, um so die Zukunft zu sichern und Erfolg zu erkaufen. Das entspricht nicht der Realität und muss anders funktionieren. Ist es am Ende aber nicht eher so, dass die künstlichen Leitbild-Formulierungen der Klubs an der Ruhr zu scheitern drohen und im Gegensatz dazu an der Isar fast schon organisch ein wahres, dem Business zuträglicheres Image wachsen durfte?
Fernab von Sympathien und Wertungen erscheint das „Mia san mia“ auch logischer mit Geld und Erfolg verknüpft als es „Wir leben Dich“ oder „Echte Liebe“ jemals sein wird. An der Ruhr ergötzen sich nun viele wahre Fans noch eine Weile an einem großen Stück Selbstmitleid. Das ist nachfühlbar, aber nicht Teil des Geschäfts. Die Trivialisierung des sportlichen Wettstreits hat längst aus dem Geist des Spiels eine Sucht nach zunächst nationalem und dann internationalem Aufstieg gemacht. Beste Einzelkönner werden gekauft, um dieses Ziel zu erreichen. Mit Liebe hat das weder beim FCB-Konzern noch bei der BVB AG etwas zu tun. Der Laden muss brummen, indem der Rubel der liebenden oder hassenden Fans reingerollt wird. So ist Fußball - heute.