Wer heutzutage etwas auf sich hält, der muss, so scheint es, vor allem eines unbedingt machen: sich einer Philosophie verschreiben. Ob Metzger, Energie-Riese, Politiker oder eben auch Fußballverein – die eigenen Vorgehensweisen und Ziele mit dem griechischen Begriff zu bezeichnen, das klingt irgendwie nach einer großen Vision, nach etwas Übergeordnetem, etwas, das ewig bleibt.
Natürlich haben sie auch bei Borussia Dortmund in den letzten Jahren oft von Philosophie gesprochen, wenn sie über ihr so erfolgreiches Konzept reden, mit ziemlich jungen, extrem talentierten und äußerst lernwilligen Spielern zu arbeiten. Als nun BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor einigen Wochen ankündigte, der Klub werde im Sommer „deutlich investieren“, da dauerte es nicht lange, bis sich unter den Fans einige Sorgen breit machten. Während andere Anhänger wahrscheinlich heilfroh wären, wenn ihr Verein vielversprechende Transfers ankündigt, äußerten viele schwarz-gelbe Fans Bedenken, ob denn nun die oft gepriesene und längst ins Herz geschlossene Philosophie in Vergessenheit geraten könnte.
Neue Impulse für den Kader
Derlei Befürchtungen zerstreut Michael Zorc, der übrigens lieber Strategie statt Philosophie sagt, mit klaren Worten. „Wir sollten nicht so dogmatisch sein und bei jedem Transfer prüfen, ob er genau den Stil von Borussia Dortmund trifft“, erklärte der Sportdirektor im Gespräch mit RevierSport. „Natürlich wird es weiter unsere Strategie bleiben, vorwiegend junge Spieler zu verpflichten, die wir weiterentwickeln können. Aber das schließt nicht aus, dass wir auch Spieler unter Vertrag nehmen, die den Etablierten direkt Druck machen können. Wir müssen immer die sportlich und wirtschaftlich beste Entscheidung für den BVB treffen.“
In vielen Gesprächen ist die sportliche Führung des Klubs um Trainer Jürgen Klopp offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass der Kader ein wenig aufgefrischt werden muss, um die Schönheit der jüngeren Vergangenheit zu erhalten.
Handlungsbedarf besteht nicht nur im Angriff, wo ein möglicher Nachfolger für Robert Lewandowski gesucht wird. Vor allem auf den Außenverteidiger-Positionen fehlen echte Alternativen und auch für die offensive Dreierreihe könnte noch ein Spieler kommen. Dabei steht Zorc, der in den letzten Jahren mit dem Gros der Verpflichtungen richtig lag, vor einem schwierigen Spagat. War die Herausforderung bislang eher dergestalt, dass der Verein mit relativ bescheidenen Mitteln entwicklungsfähige Akteure finden musste, ist das Portemonnaie inzwischen zwar besser gefüllt, dafür ist es aber auch schwieriger geworden, Spieler zu finden, die das Zeug haben, sich beim amtierenden Doublegewinner durchzusetzen. „Die Luft wird oben immer dünner, das ist ein ganz normaler Prozess“, weiß Zorc. Das liegt weniger an den gestiegenen Ansprüchen als an dem Leistungsniveau, das wir inzwischen erreicht haben. Da kommt zwangsläufig nicht mehr jeder Spieler in Frage. Gerade deshalb wird es wichtig sein, den Mut zu erhalten, auch Spieler zu verpflichten, die vielleicht erst ein oder zwei Jahre später helfen.
„Wir müssen das hohe Leistungsniveau stabilisieren“
Das Problem dabei ist nur, dass die Durchlässigkeit deutlich geringer geworden ist. Während sich Spieler wie Neven Subotic, Marcel Schmelzer oder Jakub Blaszczykowski noch im Einklang mit der gesamten Mannschaft entwickeln konnten, ist die Qualität der 13, 14 Spieler, die gemeinhin die Stammformation bilden, nun so hoch, dass sich Akteure aus der zweiten Reihe nicht mehr so einfach in den Vordergrund spielen können.
Bestes Beispiel ist vielleicht Moritz Leitner, dessen Fähigkeiten unbestritten sind, der aber noch nicht die Gelegenheit hatte, mehrere Spiele in Serie zu bestreiten, um so in einen Rhythmus zu kommen. Wichtig sei in solchen Fällen, dass der Druck nicht zu groß werde. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, jeden Spieler mit Mario Götze zu vergleichen, der im Prinzip schon mit 17 Jahren allerhöchstes Niveau verkörpert hat“, mahnt Zorc.
Wieder zu den Bayern aufschließen
Der 50-Jährige weiß jedoch auch, dass sich die Fans weiterhin nach solchen Spielern sehnen, garantieren sie doch attraktiven Fußball und die Chance, um Titel zu spielen. Ein Anspruch, aus dem auch der Klub selbst keinen Hehl mehr macht. Dass Bayern München in dieser Saison derart enteilen konnte, wurmt auch Zorc: „Diese 20 Punkte Rückstand sollen kein Dauerzustand sein. Wir wollen wieder näher heranrücken.“ Genau deshalb muss die Diskrepanz zum Rekordmeister, die in der qualitativen Breite des Kaders erkennbar ist, kleiner werden. Die erste Elf noch stärker zu machen, ist derweil schwierig, glaubt Zorc: „Die Herausforderung in den nächsten Jahren wird sein, dass hohe Leistungsniveau, das wir erreicht haben, zu stabilisieren. Wir können das nicht noch deutlich weiter nach oben verschieben.“
Über die Strategie, die der BVB für dieses Vorhaben wählt, werden die Verantwortlichen schon oft philosophiert haben. Bleibt abzuwarten, wie sich die praktische Umsetzung gestaltet.