Rhede und Uedesheim sind auf der Fußballlandkarte unbeschriebene Fleckchen. Die Oberliga Niederrhein ist für beide Dorfklubs das Größte in der Vereinsgeschichte. Doch ausgerechnet die beiden No-Name-Vereine haben jetzt einen Platz in den Oberliga-Annalen sicher. Am vergangenen Wochenende setzte es für den VfL eine 3:7-Klatsche. Zehn Tore in einem Spiel. Unglaublich, historisch.
„So hoch habe ich noch nie gewonnen oder verloren“, ist sich Ingmar Putz der Bedeutung des Resultats bewusst. Der Ex-Profi und Trainer des SV Uedesheim genießt die Aufmerksamkeit, die dem Underdog nun zuteil wird. „Es ist uns nicht egal, dass wir Geschichte geschrieben haben. Das nehmen wir sehr gerne mit.“
2003 begann der kometenhafte Aufstieg Kein Wunder, schließlich kickten die Neusser 2003 noch in der Kreisliga A. Doch dann begann der kometenhafte Aufstieg. Alle vier Jahre wurde eine Meisterschaft gefeiert. 2007 kam der 98-fache Zweitligaspieler Putz zum SV. Eigentlich hatte er den Trainerjob bei seinem vorherigen Klub Hamborn 07 aus beruflichen Gründen aufgegeben, doch ein Jahr Auszeit war dann genug. Als er den Anruf der Klubverantwortlichen bekam, besprach er sich kurz mit seiner Familie und sagte zu. „Ich lebe seit zwölf Jahren im Dorf und kannte den SV eigentlich nicht“, erinnert sich Putz: „Ich war aber auf Anhieb begeistert. Dieser Verein ist einfach sensationell.“
17. Oktober 2004 Yurdumspor Köln - 1. FC Bocholt 0:12 14. März 2004 Bor. Freialdenhoven – W SV Bor. 8:2 25. April 2004 Freialdenhoven – B. M‘gladbach II 6:4 11. Dezember 2004 Bor. M‘gladbach II - Yurdumspor 9:1 18. September 2005 B. M‘gladbach II – 1. FC Kleve 9:1 19. November 2006 SV Straelen – 1. FC Köln II 6:4 2. September 2007 SV Straelen – MSV Duisburg II 5:5 2. Oktober 2005 ETB SW Essen – MSV Duisburg II 7:2 15. Dezember 2007 MSV Duisburg II – WSV Bor. II 4:5 18. Mai 2008 MSV Duisburg II – ETB SW Essen 6:3
Denn Vereinschef Klaus Haas hat es trotz der Erfolge verstanden, ein freundschaftliches, fast schon familiäres Klima zu erhalten. Statt Geld zähle der Zusammenhalt, statt Leistungsdruck der Spaß.
Spaß, den sich die Verantwortlichen auch trotz der gesteigerten Aufmerksamkeit nicht nehmen lassen. Auf der eigenen, fast schon bundesligareifen Homepage sprachen sie nach dem Sensationsstart mit zehn Punkten aus den ersten fünf Spielen ganz selbstbewusst von der „Regionalliga“. Ein Statement, das mit einem Augenzwinkern gemeint war, dessen Wirkung sie allerdings unterschätzten. Sie waren sich nicht bewusst, dass eine solche Aussage in der Oberliga sofort aufgenommen wird und als Bumerang zurückkommen kann.
Der „Regionalliga-Scherz“ sorgt für Aufsehen Putz kennt das Geschäft und die Tragweite solcher Äußerungen und warnt deshalb auch: „Wir müssen aufpassen, was wir im Netz publizieren, weil sich jetzt jeder für uns interessiert. Vor zwei Jahren konnten wir uns solche Scherze noch erlauben. Doch jetzt dürfen wir bei unserer tollen Serie kein Eigentor schießen.“ Der ehemalige Oberhausener sieht dabei nicht nur die Gefahr von außen: „Ich kann meine Jungs nun erst einmal zusammenscheißen, damit sie nicht abheben, sonst haben die plötzlich ‚Regionalliga‘ auf ihre Arme tätowiert. Unser Ziel bleibt der Klassenerhalt. Sollten wir das erreichen, kommt ja erst die schwierige Aufgabe.“
Er ist sich sicher, dass die Konkurrenten auf etliche seiner Spieler aufmerksam werden und spätestens im nächsten Sommer mit den Euro-Scheinen winken werden. „Ich bin mir zwar sicher, dass niemand wegen 200 Euro abhaut, weil wir eine tolle Gemeinschaft haben, dennoch müssen wir das ja nicht provozieren“, meint Putz.
Der jüngste Erfolg hat aber auch eine Schattenseite. Die Infrastruktur muss aufpoliert werden. „Wir werden im Winter wieder auf der Asche trainieren müssen“, merkt Putz an. „Ein Kunstrasenplatz ist zwar ein Thema, aber den können wir nicht alleine finanzieren. Wir sind jetzt an unseren Grenzen angelangt, an denen der Verein alleine nicht mehr weiterkommt, sondern von der Stadt Unterstützung benötigt.“
Legen sich die putzigen Ballermänner weiter so ins Zeug, schreiben sie nicht nur Oberliga-Geschichte, sondern ziehen mit Sicherheit auch die Stadtoberen auf ihre Seite.