Die Stadtherren dürften froh sein, wenn die Bauarbeiten im neuen Stadion an der Hafenstraße im kommenden Jahr endgültig abgeschlossen werden. Schon wieder gibt es neue Zahlen, schon wieder sind die Kosten gestiegen. Wie das bei Bauunternehmungen nun mal so eigentümlich ist. Wenn diese von der öffentlichen Hand getragen werden, dürfen sich die Verantwortlichen einer angeregten Diskussion gewiss sein. Jeder Cent der zusätzlich ins Stadion fließt, ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker dieser Investition. All denjenigen, die von jeher nicht verstanden, warum ein Viertligist überhaupt ein neues Stadion benötige. Ein prüfender Blick aufs Zahlenwerk offenbart jedoch eine ganz andere Lesart. Ja, das neue Essener Fußballstadion wird teurer und ja, das ist eine gute Nachricht.
3,9 Millionen Euro macht die Stadt Essen, namentlich die Bauherrin GVE (Grundstücksverwaltung Essen) zusätzlich locker. Und das, obwohl der Tenor noch Anfang November gänzlich anderes verhieß. "Wir bauen soweit wie wir kommen", ließ die GVE damals wissen und dachte laut über Streichpotenziale nach. Vom Dach auf der Gästetribüne über die Flutlichtanlage bis hin zu den VIP-Logen und Businessseats - jede Investition, die nicht unabdingbar für den Spielbetrieb schien, wankte. Knapp drei Monate später nun steht fest: Auch die Gästetribüne wird überdacht und mit weiteren Verkaufsständen ausgestattet. Zudem sollen zumindest die Businessseats nun doch voll ausgebaut werden. Das kostet nun mal, insgesamt etwa 3,9 Millionen Euro. Geld, das der Stadtrat der GVE erst im November durch eine Kapitalerhöhung anheim stellte. Um 4,1 Millionen Euro hat die Stadt Essen ihrer Tochter im November das "Taschengeld" erhöht. Dass der Aufsichtsrat der GVE nun genehmigt hat, das Geld beinahe in voller Höhe für den Stadionbau aufzuwenden, überrascht und polarisiert. Doch woher dieser Sinneswandel?
Markus Kunze von der GVE erkennt gleich mehrere gute Gründe: "Als wir mit dem Stadionbau beauftragt worden sind, war noch gar nicht abzusehen, wie es mit Rot-Weiss Essen angesichts des Insolvenzverfahrens weitergeht. Zur allgemeinen freudigen Überraschung ist der Verein aber wie Phönix aus der Asche wieder auferstanden. In der 5. Liga hatte RWE mehr Zuschauer als in der Regionalliga. Im neuen Stadion erwartet der Verein Anfang der kommenden Saison nun weitere 30 Prozent Zuschauerzuwachs. Das hat uns zunächst veranlasst, die Gästetribüne sofort komplett zu bauen." Das bedeutet nicht nur ein Dach. Zusätzliche Verkaufsstände unter den Tribünen sollen dem Andrang gerecht werden. "Es war ja immer von bedarfsgerechter Ausstattung die Rede", sagt Kunze. Und meint: der Bedarf ist offensichtlich gestiegen.
Dafür ist jedoch nicht allein der Ankermieter der neuen Immobilie zuständig. Auch außerhalb der Heimspiele von Rot-Weiss Essen steigt mit dem weiteren Ausbau die Attraktivität des Gebäudes - etwa für Veranstaltungen von Sponsoren. Diese sollen dann in ausgebauten Logen Platz finden. "So können wir bei der Vermarktung ganz anders an den Markt herangehen", erläutert Kunze. Schließlich vermarktet die GVE die spielfreie Zeit im neuen Stadion über eine Tochtergesellschaft selbst. Es gilt, zumindest die Betriebskosten, rund 800.000 Euro im Jahr, wieder einzuspielen.
Schlüsselargument für diesen Sinneswandel ist zudem die überwältigende Nachfrage nach Business-Plätzen, die RWE derzeit erfährt. "Der Verein wird regelrecht überrannt von Anfragen", sagt Kunze. Für 500 bis 600 der 1100 Businessseats gebe es demnach schon jetzt konkrete Interessenten.
Informationen, dass im Gegenzug aufgrund gestiegener Materialkosten eine dünnere Dachkonstruktion angefertigt werden solle, weist Kunze dennoch entschieden zurück: "Eine absolute Ente!" Ebenso seien zwar die Baukosten gestiegen, die kolportierte Zahl von nun 43 Millionen Euro kann Kunze jedoch nicht nachvollziehen. 3,9 Millionen kämen nun zu den ursprünglich veranschlagten 31 Millionen Euro Gesamtkosten hinzu. "Vielleicht ist dort bei den Kollegen einfach ein Zahlendreher unterlaufen." Auch die Gesamtkapazität der Plätze im fertigen Stadion erhöhe sich keineswegs: "Es bleibt bei 20.000."
Zusätzliche Gebühren für die Baugenehmigung sind zwar unumgänglich, wandern aber lediglich vom einen ins andere Stadtsäckel, fallen der Kommunalkasse also nicht zu Lasten. Zudem, betont Kunze, ziele die gesamte Planung natürlich darauf ab, so erträglich wie möglich zu wirtschaften. "Wenn wir das Stadion weiter ausbauen, ist das also für alle gut. Für uns, weil wir das Stadion besser vermarkten und Geld einnehmen können. Zudem kann sich auch der Verein viel besser vermarkten, von diesem Geld Spieler kaufen und sportlichen Erfolg haben. Es ist also für alle Beteiligten eine gute Lösung."
Schon vor dem Richtfest, das am 30. März steigen soll, scheint sich das neuen Stadion also bezahlt zu machen.