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Magath im Interview
"Vertrauen ist das Wichtigste als Trainer"

Schalke: Das große Magath-Interview zum Start

Im großen Interview zum Saisonstart spricht Felix Magath über autoritäre Macher, mächtige Spieler und zu viele Leute im Fußball, die keine Ahnung haben.

Erst der gefeierte Einzug in die Champions League, dann der Schlag in die Magengrube durch die Mitglieder bei der verweigerten Satzungsänderung und am Ende der gewonnene Machtkampf mit Clemens Tönnies zur Verstärkung seiner Mannschaft. Nicht umsonst spricht der 57-Jährige von der schwierigsten Saison seiner Karriere, seit er Trainer in der Bundesliga ist. Im folgenden Interview lässt Magath noch einmal die Zeit kurz Revue passieren, ehe er sich gedanklich lieber den kommenden Aufgaben widmet.

Felix Magath, Schalke 04 ist die achte Station in ihrer Karriere als Bundesligacoach. Insgesamt sind Sie schon 25 Jahre dabei. Jedem Trainer schriebt man eine gewisse Philosophie oder Handschrift zu. Welche ist Ihre?


Meine Auffassung vom Fußball besteht als Trainer aus drei Säulen, das sind Ordnung, Disziplin und körperliche Fitness. Das mag in den heutigen Zeiten etwas altmodisch klingen, aber das sind nun einmal die wesentlichen Komponenten, auf denen aus meiner Sicht Erfolg im Sport aufbaut. Dabei habe ich sicherlich am meisten von meiner Erfahrung als Spieler profitiert. Die Zeit beim Hamburger SV als Teil der damals vielleicht besten Mannschaft der Welt mit den Top-Trainern Ernst Happel und Branko Zebec hat mich sicherlich am meisten geprägt.

Sie haben allerdings sowohl als Spieler und auch später in Ihrer Tätigkeit fast ganz unten angefangen. Wie wichtig war es für Ihren persönlichen Reifeprozess, nicht in der Glitzerwelt der Bundesliga aufgewachsen zu sein?

Das war eine bewusste Entscheidung und absolut wichtig, den Fußball von der Pike auf kennen zu lernen. Als Spieler habe ich in Bayern in der B-Klasse angefangen, das war die zweitniedrigste Liga, ehe es über die Stationen Viktoria Aschaffenburg in meiner Heimatstadt und den 1. FC Saarbrücken langsam weiter nach oben ging. Und auch später als Trainer habe ich ja nicht gleich in der Bundesliga angefangen, sondern beim FC Bremerhaven in der Verbandsliga. Als ich dann zum HSV gewechselt bin, habe ich dort ja nicht mehr die rosigen Tage aus der Zeit der dreifachen Meisterschaft und des Triumphs im Europapokal der Landesmeister erlebt. In Hamburg war ich zunächst als Trainer für den Nachwuchs verantwortlich, ehe ich 1986 Manager wurde. Doch zu der Zeit hatte der Verein kein Geld mehr und anstatt weiter oben mitzuspielen, musste ich erst einmal Spieler verkaufen. Nicht nur deshalb kam ich relativ schnell zu dem Schluss, dass ich lieber als Trainer arbeiten möchte und habe dann nach und nach meine Lizenzen erworben.

Sie gelten als sehr autoritärer Trainer. Ist die Praxis der harten Hand im heutigen Fußball noch zeitgemäß?

Nun ja, viele behaupten ich sei autoritär, das stimmt vielleicht auch. Aber das gilt nur für den Fußball an sich, die Arbeit auf dem Platz und die Ansprache in der Kabine. Natürlich bestimme ich, was auf dem Feld geschieht. Da hat mich meine Erfahrung gelehrt, dass es nicht viel bringt, wenn zu viele andere Leute da mitreden. Privat lasse ich meinen Spielern viele Freiheiten, denn ich bin keiner, der bestimmen möchte, was erwachsene Menschen in ihrer Freizeit zu tun und zu lassen haben. Solange jedem bewusst ist, dass er Leistungssportler ist und durch den Fußball viel Geld verdient, kann er tun und lassen, was er will. Vertrauen ist für mich als Trainer das Wichtigste. Ich werde immer empfindlich reagieren, wenn einer seinen eigenen Erfolg in den Vordergrund stellt. Aber so lange einer in jedem Spiel ein Tor schießt, muss er von mir aus auch gar nicht trainieren. Allerdings habe ich noch keinen Spieler erlebt, bei dem das so funktioniert.

Nicht nur die Spieler haben mehr Macht als früher...

Fußball ist nicht nur Sport, sondern auch ein großes Showgeschäft geworden. Daher gibt es viel mehr Einflüsse von außerhalb, mit denen sich ein Trainer auseinander setzen muss. In meiner aktiven Zeit war der Trainer noch der feste Beziehungspunkt, in Hamburg sogar mit der besonderen Erfahrung, dass die Trainer schlecht Deutsch gesprochen haben. Da musstest du als Spieler immer aufpassen, was der gerade wohl gesagt hat. Da durfte man nie abschalten. Das animiert einen Spieler schon dazu, mitzudenken oder die eigenen Mitspieler zum Mitdenken zu animieren. Ich glaube daher, dass es tausend Wege zum Erfolg gibt, aber als Trainer musst du von deiner Arbeit immer absolut überzeugt sein und auch so nach außen hin auftreten. Dadurch, dass im Fußball viel mehr Leute mitsprechen, die nicht aus dem Fußball kommen, aber mit diesem schönen Sport viel Geld verdienen, ist es für die Trainer sicher schwerer geworden. Wenige Trainer haben die Marktposition, um auch unangenehme Entscheidungen treffen zu können. Ich finde aber, dass das notwendig ist, zum Beispiel, wie Jogi Löw vor der WM einige unangenehme Entscheidungen getroffen hat, die in der Öffentlichkeit anders gesehen wurden.

Heute gelten Sie als Sprecher des Schalker Vorstands und Manager des Vereins als der mächtigste Trainer der Liga. Kann man eigentlich beziffern, ob Ihr Arbeitsschwerpunkt mehr auf der sportlichen oder auf der kaufmännischen Seite, mit Sie sich beim Fachabitur mit dem Schwerpunkt Wirtschaft ja bereits in der Schule beschäftigt haben, liegt?

Das kann man nicht trennen. Im Unterschied zu anderen Branchen ist im Fußballgeschäft das Produkt das Wichtigste. Von daher passt es sehr gut, wenn derjenige, der die Qualität des Kerngeschäfts stark beeinflusst, das gesamte Unternehmen nach innen und außen vertritt. Die meiste Arbeitszeit verbringe ich nach wie vor auf dem Trainingsplatz. Aber weil meine Familie in München lebt, wartet in der Woche niemand auf mich. Nur am Wochenende gibt es Privatleben. Nach dem Training kann ich mich als Sportdirektor um den Einkauf neuer Spieler kümmern und mir Gedanken machen, wie ich meine Mannschaft für die Zukunft aufstelle. Ich sehe mich nach wie vor als Trainer und fühle mich dort auch am wohlsten. Die andere Tätigkeit übe ich nur aus, um den Trainer zu schützen...


Bei ihrer ersten Trainerstation in Hamburg waren Sie noch Chef-, Co-, Torwart- und Konditionstrainer in einer Person. Auf Schalke haben Sie hingegen einen Mitarbeiterstab, der fast so groß ist wie die Mannschaft...

Das ist ein wichtiger Bestandteil, um Erfolg zu haben. Früher war ich auf mich allein gestellt, nicht nur in Hamburg, sondern auch in Nürnberg, Bremen und Frankfurt, wo ich alle Klubs auf einem Abstiegsplatz übernommen und weiter nach oben gebracht habe. Dennoch gab es Ärger, weil ich zu viel Angriffsfläche geboten haben. Erst in Stuttgart habe ich beschlossen, etwas anders zu machen, und mir in Seppo Eichkorn, Bernd Hollerbach und Werner Leuthard drei Assistenten an die Seite geholt habe, mit denen ich bis heute zusammen arbeite.

Laktattest, Spiroergometrie, Laufanalysen. Die Disziplin der Leistungsdiagnostik ist ein weites Feld und hat rund um die Bundesliga vielen Sportwissenschaftlern, Ärzten und anderen Experten gut bezahlte Jobs ermöglicht. Sie halten nicht viel davon, oder?

Jeder Trainer kann machen, was er will, aber ein Fußballer ist nun einmal kein Extremsportler, sondern muss vielseitig sein. Daher ist es unnütz, im Ausdauerbereich Kontrollen durchzuführen. Ich glaube nicht, dass diese Methoden die Leistungsfähigkeit steigern. Natürlich achte ich darauf, dass ein Mittelfeldspieler mehr Ausdauer hat als ein Torwart, obwohl das bei uns nicht ganz so hinhaut, denn Manuel Neuer hat eine überragende Ausdauer und kann fast mit allen Feldspielern mithalten. Und wenn die Spieler zum Beispiel auch im Urlaub oder ihrer sonstigen Freizeit richtig mitziehen würden, dann wäre das okay. Aber ich habe gelesen, dass vor meiner Zeit hier auf Schalke die Hunde der Spieler die Pulsuhren getragen haben. Wenn das so ist, dann kann man es auch lassen.

Die landläufige Meinung besagt doch, dass der Fußball schneller und die Spieler viel athletischer geworden ist. Stimmt das gar nicht?

Doch, das stimmt schon. Aber die Leichtathleten lachen sich schlapp, bei dem, was wir machen, denn Fußballer haben das Ausdauerniveau eines Freizeitsportlers, mehr nicht! Als ich noch Spieler beim HSV war, da hatten wir mal einen Zehnkämpfer beim Training zu Gast. Stilistisch war der beim Laufen super und hat uns allen etwas vorgemacht, aber nach dem normalen Fußballtraining war er kaputt. Und vor zehn Jahren, da war ich immerhin auch schon 47, konnte ich bei den Läufen mit meinen Spielern noch ganz gut mithalten. Und dass ich nicht als Trainer ganz so schlimm sein kann, bestätigen mir viele Wiedersehen mit früheren Spielern, die sich bei mir bedanken und sagen, dass sie erst jetzt wissen, warum sie sich früher gequält haben.

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