Sie gingen gegen das Bundesligaspiel am Sonntagnachmittag vor nicht allzu langer Zeit auf die Barrikaden. Diese Kluft schien in der Vergangenheit fast unüberwindbar, aber seit dem Amtsantritt von Felix Magath tut sich was: Profis und Amateure nähern sich an; beim direkten Aufeinandertreffen zwischen den Profis der Königsblauen und einer Kreisauswahl treffen sie sogar direkt aufeinander.
Volker Abramczik, einst Stürmer auf Schalke, aber auch Trainer bei einigen hiesigen unterklassigen Klubs, sichtet demnächst den Kader der Amateure. Denn er wird die Mannschaft aus dem Besten, was die Klassen von Westfalen- bis B-Kreisliga aufbieten können, am 13. April auf der Sportanlage Lüttinghof betreuen. Der 45-Jährige erklärt, wie er auf den Einfall kam, ein solches Duell aus der Taufe zu heben: „Es war noch in der Saison 2008/09, als es sportlich auf Schalke nicht besonders lief und sich überall Unzufriedenheit breit machte“, erinnert er sich an die wenig erfreulichen Umstände einer umso besseren Idee.
In der Schalker Kurve stehen auch viele Amateurfußballer aus Gelsenkirchen und Umgebung (Foto: firo).
Mit dem Hauptsponsor des Bundesligisten hatte Abramczik aber schnell genau den richtigen Mitstreiter für den Plan eines Freundschaftsspiels gefunden. „Gemeinsam mit Repräsentanten von Gazprom habe ich überlegt: Was können wir für die Fans des Vereins und die Stadt tun? Denn ohne die Fans geht auf Schalke nichts - darunter sind auch viele Amateurfußballer“, ist sich der Ex-Profi sicher.
Beim Energieunternehmen war man sofort Feuer und Flamme. „Ich hatte zwar die Idee, aber nur, weil Gazprom eines seiner beiden fest vereinbarten Freundschaftsspiele für diesen Zweck zur Verfügung stellt, kann diese Partie stattfinden“, hält der gebürtige Gelsenkirchener fest.
Vor dem großen Auftritt am 13. April im Stadion Lüttinghof wird Volker Abramczik im März zwei Probetrainings durchführen. Gemeinsam mit den Trainern Frank Frye (BV Rentfort) und Thomas Beck (FC Leusberg) soll so ein Kader von rund 22 Spielern ausgewählt werden. Auch klassentiefere Akteure dürfen sich leise Hoffnungen machen: Abramczik räumt auch sehr guten B-Kreisliga-Kickern Chancen ein, berufen zu werden.
Als mit Magath auch noch ein Mann an das Berger Feld kam, der besonderen Wert auf die Identifikation von Mannschaft und Verein mit dem Umfeld legt, stand einer Neuauflage der früher ausgetragenen Spiele gegen den Stadtmeister nichts mehr im Wege. Und Abramczik ist fest davon überzeugt, dass unter Magath solch ein Duell nicht zur „Alibi-Veranstaltung“ gerät. „So wie ich Magath kenne, wird er mit allen Stars antreten. Lediglich Manuel Neuer könnte aufgrund seiner Berufung zur Nationalmannschaft im April nicht dabei sein.“
Doch selbst wenn der letzte „Eingeborene“ im Schalker Kader fehlen sollte, dürfte der Abend für alle berücksichtigten Hobby-Kicker unvergesslich werden. „Es ist das Duell ‚David gegen Goliath‘, das den Reiz ausmacht. Es geht eher um die Ehre als um das Ergebnis. Wir wollen kurz vor Saisonende bestimmt keinen Profi verletzen – aber ich will mit den Amateuren ein ehrliches, vernünftiges Fußballspiel zeigen“, gibt Abramczik die Marschroute vor. Da er solche „Castings“ öfter organisiert hat, weiß er wie die Underdogs ticken. „Es wird viel auf meine Ansprache ankommen, aber der Respekt vor den Profis ist riesig.“
Horst-08-Coach Klaus Schmidtchen (RS-Foto: Neumann).
Klaus Schmidtchen, Trainer des SV Horst 08, ist von der Idee begeistert: „Ich finde das super, dass sich ein Mann wie Magath anscheinend darauf besinnt, dass etwas für die Amateure getan werden muss. Das ist auch ein Ausdruck der neuen Kultur, die mit ihm bei S04 Einzug gehalten hat. Früher gab es Jubiläumsspiele, deshalb ist toll, dass so etwas wieder auflebt. Wenn noch ein kleiner Obulus für die Vereine übrig bleibt – umso besser! Schließlich geht uns durch die Profispiele am Sonntag auch etwas durch die Lappen“, erklärt der Coach des Bezirksligisten. Und denkt schon etwas weiter: „Ich wäre stolz, wenn ein oder zwei Spieler aus meiner Mannschaft berufen würden. Mit einem Auftritt gegen Marcelo Bordon oder Kevin Kuranyi wird für viele Amateure ein Traum in Erfüllung gehen.“
Volker Dyba, Sportlicher Leiter beim A-Ligisten BV Rentfort, hofft vor allem, dass es keine Eintagsfliege bleibt: „Das ist für mich genau das richtige Zeichen an die Basis. Wie schwer es die kleinen Vereine haben, ist ja bekannt. Als Volker Abramczik die Aktion beim Staffeltag vorgestellt hat, wurde uns in Aussicht gestellt, dass so etwas nun eventuell jedes Jahr stattfinden könnte“.
BV-Trainer Frank Frye, seit 20 Jahren eng mit Abramczik befreundet, wird in die Auswahl des Amateurkaders involviert sein. Dyba ist sich sicher, dass kein BVR-Kicker deshalb bevorzugt wird. „Da ist Frank objektiv genug. Hauptsache, er vernachlässigt die Meisterschaft nicht“, schmunzelt der Gladbecker.
Der Initiator hat derweil andere Sorgen: „Ich habe in den letzten Monaten viel Engagement in diese Sache gesteckt, da würde ich mich freuen, wenn von den 66 Vereinen des Kreises, alle mitziehen. Denn jetzt sind die Vereine am Zug, wenn jeder 50 oder 60 Karten abnimmt und kommt, weil ein Spieler der eigenen Farben mitspielt, hätten wir schon 3.000 oder 4.000 Zuschauer“, reibt sich der Inhaber eines Sportgeschäfts die Hände.
Und der Kreis Gelsenkirchen würde eine echte Erfolgsgeschichte schreiben, eine die zudem noch „Groß“ und „Klein“ vereint.
Auf Seite 2: Nachgefragt mit Hassel-Coach Michael Dier