Das Weltmeisterschafts-Qualifikationsspiel gegen Deutschland verlor man mit 0:4. Insgesamt holte das Team als Abschlussfünfter in der Gruppe 4 gegen Deutschland, Russland, Finnland, Wales und Liechtenstein in zehn Matches fünf Punkte (Torverhältnis: 4:14). Aktuell ist Janßen wieder in Deutschland, in der Sportschule Wedau leitet er eine U15-Delegation Aserbaidschans: 23 Spieler im Alter von 13 und 14 Jahren, dazu Trainer Tabriz Hasanov und Dolmetscher Sarkhan Hajiyev.
Das Trainingslager startete am 3. Januar und dauert knapp sechs Wochen. Im Rahmen eines Besuchs des Teams beim Eishockeymatch Düsseldorf Metro Stars gegen die Iserlohn Roosters unterhielten wir uns mit Janßen. Die Verbindung zur DEG stellte Nico Schäfer her, Ex-Geschäftsführer von RW Essen, jetzt Marketingleiter der VVA Kommunikation (Sponsorpartner der DEG), mit dem Janßen seit seiner Zeit als Sportdirektor bei RWE freundschaftlich verbunden ist.
Olaf Janßen, seit Mai 2008 sind Sie Co-Trainer von Berti Vogts für die Nationalmannschaft von Aserbaidschan – blicken Sie kurz zurück. Alles war auch für mich sehr überraschend. Es kam ein Anruf von Erich Rutemöller, weil Berti jemanden benötigte, der vor der WM-Qualifikation Liechtenstein für ihn sichtete. Das war nach meiner Zeit bei Rot-Weiss Essen, ich habe das gerne gemacht. Er war schließlich mein Trainer bei der U16 des DFB, wir wurden zusammen Europameister. Er erhielt meine Analyse. Zwei Wochen später rief er mich an, ob ich einen Tag später nach Aserbaidschan kommen könnte, er würde einen Assistenten suchen.
Da muss man entscheidungsfreudig sein.
Das war eigentlich kein Teil meines Programms, wir einigten uns darauf, dass ich einen dreiwöchigen Lehrgang des Teams begleiten würde. Danach haben wir die Entscheidung getroffen, die für mich sofort feststand, die Arbeit macht einen riesigen Spaß.
Echter Aufbau?
Richtig. Die Spieler sind hungrig, alle wollen nach oben, möglichst aus dem Land raus. Das Niveau war vor knapp zwei Jahren in vielen Bereichen katastrophal. Die Akteure waren so gut wie untrainiert. Auf der anderen Seite ist das natürlich für einen Coach eine tolle Arbeit, die Jungs heranzuführen. Man sieht schnell Resultate und große Leistungssprünge. Das zog sich in der Zeit wie ein roter Faden durch. Zum Schluss spielte unser Team im Rahmen der WM-Qualifikation gegen Russland 1:1. Später gewannen wir 2:0 gegen Tschechien.
Wie ist die Kooperation mit Berti Vogts?
Sehr kollegial, ich bin überall eingebunden, wir besprechen alles. Ich darf an der Seite eines Mannes arbeiten, der als Trainer und ehemaliger Spieler in Europa ganz weit vorne ist. Das ist eine tolle Geschichte. Im Dezember 2009 haben wir um zwei weitere Jahre verlängert. Der Verband tut, was wirtschaftlich in seiner Macht steht. Die Mittel werden in breiter Front eingesetzt, wir waren zweimal in Dubai, um einfach bessere Trainingsbedingungen zu haben. Das wird hochinteressant, mit der Auswahl die Qualifikation für die nächste Europameisterschaft anzugehen.
Wie ist das Niveau des Klubfußballs?
Zwei Teams waren in der Europaliga in den Play-Offs, es wächst etwas. Die Liga hat zwölf Vereine. Das Niveau zu vergleichen, ist gewagt, stellenweise ist es schlechter als die deutsche dritte Liga. Allerdings haben wir Nationalspieler, die in Deutschland sicherlich in der ersten und zweiten Liga auflaufen könnten. Ich hatte erwartet, dass es in diesem Winter vielleicht zwei von den Jungs schaffen würden, im Ausland einen Vertrag zu erhalten. Aber das wird sich entwickeln.
Wie müssen wir uns Ihre Zeitplanung vorzustellen?
Wir haben unsere Lehrgänge, die über zwei, drei Wochen gehen. Danach bin ich wieder für zwei, drei Wochen zuhause. Man könnte sagen, ich habe ungefähr 150 Urlaubstage, das hat sich familiär gut eingespielt. Das ist für die nächsten zwei Jahre mein Ding. Aber natürlich habe ich das Ziel, als Cheftrainer zu arbeiten, aber zurzeit drängt mich nichts.
Welchen Eindruck macht das Land auf Sie?
50 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, das Land lebt vom Öl und vom Gas. Es herrscht ein völliger Umbruch, in der Hauptstadt Baku leben ungefähr vier Millionen Menschen, die Hälfte der Landeseinwohner. Mittlerweile ist das eine Baustelle so groß wie Dubai, alles wird auf den Kopf gestellt, die Infrastruktur wird aufgebaut. Stellenweise sind das fantastische Projekte, es gibt Mamorbrücken über der Autobahn. Es existiert ein brutaler Kontrast, die Menschen sind stellenweise noch unorganisiert, aber ungemein enthusiastisch. Außerhalb von Baku hat man den Eindruck, die Welt hört auf. In Baku gibt es eine wunderbar restaurierte Altstadt. Das ist sehr abenteuerlich, die Menschen sind sehr westlich orientiert und sehr freundlich. Von der Mentalität her mit den Türken vergleichbar. Ich bin sehr beeindruckt und gespannt, wie das in fünf, sechs Jahren sein wird.
Haben Sie sich schon getraut, selbst Auto zu fahren?
Nein, das sollte man sein lassen. Dass einem auf der Autobahn Wagen entgegenkommen, ist ganz normal. Das gilt auch für die Auffahrten, auf denen durchaus schon einmal geparkt wird. An der Kreuzung wartet niemand, man tastet sich vor. Einen TÜV gibt es natürlich nicht, dafür biegt man irgendwo ab und fährt plötzlich achtspurig.
Und jetzt verbringen Sie mit der U15 des Landes ein mehrwöchiges Trainingslager in Deutschland - wie kommt das?
Es werden gerade Landesverbände aufgebaut, den eigentlichen Jugendfußball gibt es gar nicht. Der Verband will mit aller Macht die Ausbildung vorantreiben. Im Sommer 2008 wurde der U15-Jahrgang zum ersten Mal zusammengezogen und sofort für drei Monate in Fenerbahce trainiert. Die Jungs müssen nicht mehr zu Schule, sie sollen fußballerisch nach vorne gebracht werden. Die Gruppe ist kunterbunt, die Jungs spielen aber schon bei den Clubs der höchsten Klasse.
Die Akteure sind 13 und 14 Jahre jung - wie bändigen Sie das Heimweh?
So was gibt es nicht, ich war auch erstaunt. Das ist nicht vergleichbar mit einem deutschen Team. Es herrscht unglaubliche Disziplin vor, beim Essen ist jeder ruhig, die Jungs sind alle unheimlich freundlich. Das ist fast unheimlich. Sie schauen zu einem auf und setzen Trainingsinhalte sofort um. Dazu kommt paralleler Englischunterricht. Auch da zeigt sich ungemeine Wissbegierde und Freude am Lernen.
Was ist mit den Eltern?
Die fragen schon einmal nach, ob alles in Ordnung ist, aber das war es. Nach unserem Denken ist das sicherlich ein gewagtes Spiel. Die Arbeit ist ungemein kurzweilig, der gesamte Tag muss verplant sein. Ich habe Filme aus Aserbaidschan mitbringen lassen, die Mannschaft sitzt dann schon mal wie im Kino zusammen.
Die Bettruhe wird eingehalten?
Auf jeden Fall, so ein Programm kennen die Kerle nicht, am Abend ist jeder völlig kaputt. Um 8.30 Uhr ist Frühstück angesagt, um 9.45 Uhr gibt es die erste Trainingseinheit, 12.15 Uhr folgt das Mittagessen, um 13 Uhr gibt es Englischlektionen. Ab 15 Uhr rufen wir zur zweiten Trainingseinheit, um 18.30 Uhr gibt es Abendessen, danach noch ein Meeting, um taktische Schulungen vorzunehmen. Da qualmt der Kopf.
Fallen Sie nicht auch um?
Bislang noch nicht. Ich habe auf meinem Plan in der Zeit dieses Trainingslagers alleine 26 Sonder-Veranstaltungen. Freundschaftsspiele, Besuche bei Sportveranstaltungen oder beim Starlight-Express. Das muss alles organisiert werden. Dadurch war meine erste Woche komplett dicht. Ich wollte eigentlich zwischendurch nach Köln zu meiner Familie, das habe ich gar nicht geschafft. Vorher hatte ich keine Erfahrung mit Jugendteams, ich hatte mir aber vorgestellt, dass die Umstellung schwieriger sei.
Irgendwo auch eine Reise in die Vergangenheit?
Ganz genau so ist es. Ich war früher auch in der Sportschule Wedau, daran erinnert man sich gerne. Es war ein Schülerlager, in dem ich entdeckt wurde.